Das HNF-Heisenberg CD1 Cargo in Friedrichshafen |
Über neigende Dreiräder denke ich schon länger nach. Schon im Mai 2012, kurz nach "Eröffnung" des Bakfietsblogs, findet der Front End Loader von Onya Cycles aus San Francisco Erwähnung, von dem ich leider nie wieder etwas gehört habe.
Dann kam das Butchers & Bicycles, und Morten, Jakob und Morten haben uns nach dem Bakfietstreffen in Nijmegen sogar die Ehre eines kurzen Besuchs auf der Rückfahrt nach Kopenhagen erwiesen. Gleichzeitig bastelte man auch im Hause Urban Arrow an einem Dreirad (das bis heute nicht erschienen ist), und auch das Veleon war mittlerweile unterwegs.
Aus "Curve" wird "Carve" |
Und nun schreiben wir 2016 und sogar Babboe experimentiert mit einem neigenden Dreiradkonzept. Offenbar sind wir hier auf einen Trend gestoßen - und HNF-Heisenberg möchte mit dem CD1 Cargo ganz vorne dabei sein.
Beim Dreirad mit Neigetechnik geht es grundsätzlich darum, die Stabilität eines Dreirads mit der Agilität eines Zweirades zu verbinden. Während Veleon, Butchers und auch Babboe ihre Transportboxen vorn überhängen lassen, wählt HNF-Heisenberg bewusst einen anderen Weg (wie auch der immerwährende Prototyp von Urban Arrow): die beiden Räder befinden sich ganz vorn, die Transporteinheit zwischen den Rädern und Lenker - wie beim Long John.
Blick über den Lenker des CD1 Cargo |
Die Ladefläche bieten HNF-Heisenberg in drei Längen an - wobei die exakten Zahlen hier noch nicht ganz Spruchreif sind, zumindest finden sie sich noch nicht im Katalog wieder. Letztendlich kann man - da die Räder aus der eigenen Manufaktur kommen - aber auch eine Wunschlänge ordern. Die Profile, die für den Aufbau der Ladefläche gebraucht werden, kommen als drei Meter lange Werkstücke in die Werkstatt.
- Gesamtgewicht unter 40 Kilogramm
- Als S-Pedelec verfügbar
Ganz erstaunlich ist, wie unterschiedlich sich die verschiedenen Neigetechniken anfühlen. Den Babboe Prototypen zum Beispiel muss man regelrecht in die Kurve zwingen, das Veleon unter Vollast hingegen möchte fast gar nicht mehr aufhören, in die Kurve zu fahren.
Die Abstimmung des CD1 Cargo gefiel mir wahnsinnig gut. Der Slalom gelang mit einer Leichtigkeit, die Nahe am Zweirad erschien.
Allerdings ist die Lenkung nicht nur wunderbar abgestimmt, es gibt sogar einen cleveren Mechanismus, um die Neigung zwischen komplett frei, abgefedert und starr umzuschalten. Dieser funktioniert so gut, dass man beim näheren Hinschauen überrascht ist, wie simpel die Konstruktion ist, die dahinter steckt: eine Stange mit zwei abgewinkelten Balken kann über einen Klickschalter am linken Handgriff zwischen Blockade, Feder und freier Position hin- und her gedreht werden. Genial einfach, einfach genial - möchte man sagen.
Anekdote zur Entstehung: Karl Nicolai, Mitbegründer von HNF-Heisenberg und unter Mountainbike-Kennern schon länger ein Begriff, hatte sich einen Feststellmechanismus gewünscht, der über jeden Zweifel erhaben sein müsse. Auf dem Prototypen sei er dann herumgesprungen und habe versucht, das festgestellte Rad zum Kippen zu bringen - vergeblich.
Vorne kurz, hinten lang - die beiden Versionen des CD1 Cargo in der Demo Area |
Es ist also ohne weiteres möglich, das Rad mit Neigung zu fahren und dann zum Beispiel beim Anrollen auf eine Ampel die Mechanik zu sperren, so dass man warten kann, ohne einen Fuß auf den Boden zu nehmen.
Mit der Ladefläche haben HNF-Heisenberg noch einiges vor, zum Mai nächsten Jahres sollen sowohl gewerbliche Anwender wie auch Familien auf ihre Kosten kommen (und spätestens dann werde ich mich dem Rad erneut zuwenden). Doch das Rad ist bereits jetzt erhältlich und einsatzbereit: Rechts und links der Ladefläche befindet sich eine Schiene aus dem Hause Sortimo, die es im Grunde ermöglicht, alles zu befestigen, was man möchte, und sei es nur die Kiste Bier mit Spanngurten wie auf dem Foto.
Ansonsten ist das Rad mit allen Feinheiten ausgestattet, die man sich von einem High End Modell so wünschen kann: der Bosch Performance Line Motor überträgt seine Kraft über einen Gates Carbon Drive auf eine NuVinci N380 mit Harmony Steuerung - mit eigenem Drehgriff am rechten Handgriff, was mir viel besser gefällt, als die ins Bosch Display integrierte Harmony-Steuerung.
Bremsen, Beleuchtung, auch alles vom Feinsten, und dann kommen wir zu dem, was sie #heisenbergexperience nennen: sie geben sich nicht nur größte Mühe, dem Kunden die Fahrräder schmackhaft zu machen - zum Beispiel mit Probefahrten vor Ort - sie liefern sogar einen zertifizierten Kundendienst, der Wartungen und Reparaturen zeitnah und beim Kunden erledigt. Und das ist noch besser, als es auf den ersten Blick aussieht:
Selbst in der Fahrradstadt Münster hatte ich meine liebe Mühe, Werkstätten zu finden, die sich zum Beispiel an die Wartung einer NuVinci Nabe trauen. Ich bin wirklich schon ein paar Mal weggeschickt worden. Und richtige Pedelec-Experten muss man auch erst mal suchen - die motorunterstützten Räder werden zwar verkauft, wie warme Semmeln, aber wenn's ans Eingemachte geht, müssen die Werkstätten die Fahrräder zur Reparatur einschicken.
Dieser Service könnte sich also als sehr, sehr wertvoll erweisen - und bequem ist es noch dazu.
Kurzum: ich hab' schon große Träume, wie ich mir mein eigenes CD1 Cargo zum Kindertransport herrichten würde und blicke daher gespannt in die Zukunft. Ich hoffe sehr, dass es etwas größer wird, als die bisher erhältlichen Lösungen - dann hat das Rad meiner Ansicht die Chance, ganz oben mitzumischen.
Währenddessen präsentiert Sortimo das Rad (als ProCargo CT1) schon mal auf der IAA - eine derart vollständige Transportradlösung habe ich noch nicht gesehen - und alle Vorteile im Alltag liefern sie im Werbevideo gleich mit.
Wir bleiben dran!