Sonntag, 31. März 2013

Bakfiets in Berlin

Noch immer bin ich auf der Suche nach einem Lastendreirad, das mir gefällt. Die Kriterien sind dabei hoch gesteckt. Zum einen möchte ich, wenn es irgendwie geht, auf eine Drehschemellenkung verzichten. Bei der alternativen Achsschenkellenkung geht allerdings viel Platz in der Transportbox verloren. Eine dritte Alternative wären Dreiräder, bei denen das einzelne Hinterrad gelenkt wird, aber die nächsten, mir bekannten Modelle kommen aus Kopenhagen, und da komme ich ja nicht so eben mal hin.

Auf einen Tagestrip nach Berlin konnte ich mich dann aber doch einlassen, zumal ich mir erhoffte, einen meiner Favoriten ausprobieren zu können: das Carryo. Zwar geht auch hier Platz in der Transportbox zugunsten der Lenkung verloren, aber insgesamt gefällt mir das Rad so gut - auch mit dem netten Gimmick der nach oben öffnenden Schnauze, dass ich es auf jeden Fall einmal fahren wollte.

Da es mir dann aber doch etwas zu unrentabel erschien, wegen eines einzelnen Rades nach Berlin zu fahren, nahm ich noch weitere Lastenräder auf meine Besuchsliste auf und begann den Tag aufgrund der Lage der Büros zum Ostbahnhof bei der Adomeit Group, die seit kurzem ein Lastendreirad mit Neigetechnik anbieten - ganz ähnlich wie der "Front-End Loader" von Onya Cycles aus San Francisco.


Das Veleon zielt eindeutig auf den sportlichen Fahrer, der schnell und sicher unterwegs sein möchte. Entsprechend schmal ist das Rad, und so fasst die Box auch nur ein Kind und dazu die obligatorische Kiste Bier. Bei der Sitzgelegenheit für den Nachwuchs verlässt man sich dabei ganz auf bewährte Systeme: in der Box befindet sich eine Halterung für Kindersitze mit dem Isofix-System. Bedenkt man, dass man mit diesem Gefährt wirklich schnell unterwegs sein kann, ist ein solider Kindersitz mit gutem Seitenhalt und professionellen Anschnallgurten wohl auch eine gute Wahl.

Leider fehlte bei meinem Vorführrad ein entscheidendes Teil, um die Box sicher für die Fahrt zu befestigen, weshalb wir sie nur für ein Foto lose aufgesetzt haben, die Probefahrt machte ich dann ohne Box. Das allerdings ermöglichte es, die Neigetechnik während der Fahrt zu filmen. Hier mein Video dazu:



Im Anschluss an eine kleine Runde um den Block durfte ich das Veleon dann sogar für den ganzen Tag behalten, was praktisch war, denn schließlich hatte ich noch ein paar Adressen kreuz und quer in Berlin zu besuchen, und mit dem Rad würde das am schnellsten gehen.

Da Fahrt mit dem Veleon war ein großer Spaß, selbst für mich, der ich eigentlich nicht der sportliche Typ bin und eher die bequeme Hollandrad-Sitzposition vorziehe. Neugierige Blicke erntete ich noch dazu, aber das bin ich als Urban Arrow Fahrer ja mittlerweile gewöhnt.

Den zusätzlichen Clou des Veleon, die Box samt Lenkstange vom Rahmen zu trennen und als Kinderwagen weiter zu schieben, konnte ich mangels montierter Box ebenfalls nicht testen, aber der Mechanismus zum ausklinken ist simpel und lässt einfache Handhabung vermuten. Zusätzlich muss man einfach den Griff der Gangschaltung vom Lenker ziehen, da die Schaltung ja mit dem Rahmen zurückbleibt, wenn man losschiebt.

Die Büros der Adomeit Group im Rücken, versuchte ich, mich mit dem Macher des Carryo zwecks eines Treffpunkts kurzzuschließen. Aber sämtliche Rufnummern blieben unbeantwortet, weswegen ich zunächst Oliver Higson anrief, der ebenfalls ein Lastenrad in Berlin baut - das UmaZooma.

Es wurde ein wunderbar vergnügliches Treffen bei einem Tee und reichlichem philosophieren über alle möglichen Aspekte des Lastenradfahrens.

Das UmaZooma

Das UmaZooma hat etwas ganz besonderes, was man, wie ich finde, auf dem Foto zunächst gar nicht unbedingt sieht: sein Schöpfer hat sich unheimlich viele Gedanken gemacht. Oliver erzählte mir über jedes erdenkliche Detail seines Rades die Hintergründe, warum er sich gerade für dieses Material, dieses Design, dieses Bauteil entschieden hat. Die Schutzbleche aus Bambus zum Beispiel, die nicht nur besonders aussehen, sondern an seinem Rad auch schon zwei Berliner Winter mühelos überstanden haben. Oder warum er zwei Stangen zwischen Lenker und Vorderrad benutzt, statt wie viele Mitbewerber nur eine.

Das Veleon lieferte die Grundlage zu einer beherzten Diskussion, ob man, wie in diesem Fall, wirklich Drähte für die Lenkung benutzen dürfe. Und bei Dreirädern angekommen, schimpften wir gemeinsam auf die Drehschemellenkung und wie sie ihre Fahrer in dem falschen Glauben wiegt, mit dem Rad nicht stürzen zu können.

Kurz, Oliver Hisgon, ein Mann, mit dem ich mich gerne regelmäßig zum Tee treffen würde. Er hat Pläne, in Zukunft auch den Rahmen des UmaZooma selbst zu gestalten, einen Mittelmotor einzubauen und vieles mehr. Ich bin sehr gespannt.

Und eine kurze Runde auf seinem Rad durfte ich natürlich auch noch drehen. Sehr positiv hat mich der Motor im Vorderrad überrascht, ich hätte dem Mittelmotor, wie ich ihn von meinem Urban Arrow kenne, viel größere Vorteile in Bezug auf Antritt und Durchzugskraft zugesprochen, aber das UmaZooma schoss mit mir davon, dass es eine wahre Freude war. Und dazu wunderbar bequem, "an incredibly comfy ride".

Leider deutete sich nun auch schon an, dass meine Hauptattraktion nicht klappen würde. Carlos vom Carryo blieb unerreichbar (und hat sich auch bis heute noch nicht zum geplatzten Termin geäußert), dafür konnte ich mit Oliver über die offensichtlichen Probleme des Carryo diskutieren, von deren Belanglosigkeit ich mich so gern überzeugt hätte - denn Oliver kannte das Carryo von einer Messe und war es auch schon gefahren.

Carryo, oh Carryo ... :(
Zunächst ist das Rad vorne viel, viel zu niedrig. Auf der besagten Messe ließ es sich nicht mal über am Boden verlegte Kabel schieben, ohne aufzuliegen. Die Welt da draußen ist allerdings voll von solchen Hindernissen, ich sage nur Bordsteine.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die - unzweifelhaft coole - Schnauze mit Gasdruckfeder am Ende des Tages nicht doch nur ein Gimmick bleibt. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass sie die Konstruktion einer Regenhaube unnötig erschwert, und, wenn ich das Bild jetzt gerade betrachte: ich sehe eingeklemmte Finger!

Glücklicherweise gibt es in Berlin auch noch nette Leute, und der geplatzte Carryo-Termin bot mir die Möglichkeit, mich zum Mittagessen mit einer alten Bekannten zu treffen - dazu fuhr ich das Veleon rüber nach Kreuzberg, nicht ohne auf dem Weg dorthin festzustellen, dass es die Fietsfabriek nicht mehr gibt - schade, deren Lastendreirad gefiel mir zumindest optisch schon mal sehr gut, weswegen ich es gern eine Runde gefahren wäre.

Randnotiz: beim Mittagessen zeigten sich erste Anzeichen eines nach viralem Infekt zurückgekehrten Geschmackssinns bei Verkostung des Mangosößchens, das es zum Falafel gab. Leckeres Falafel in Kreuzberg am Südstern!

Von dort machte ich mich auf zu Moghul Rickschas, einem Fahrradgeschäft an der Sonnenallee in Neukölln, wo ich unter anderem das Zigo leibhaftig betrachten durfte. Schnell war ich mir allerdings mit Andreas, dem Inhaber, einig: es ist eigentlich kein richtiges Fahrrad, lange Strecken sollte damit niemand fahren.

Vergnügliches Detail: das Ersatzrad am "Bürzel", das, wenn man Rahmen und Wagen trennt, in die Vordergabel gesteckt werden kann, damit man sowohl einen Schiebewagen als auch ein Fahrrad hat.

Auch beim Zigo zeigt sich: so schön der Gedanke des Multifunktionslastenrads in der Theorie auch sein mag, in der Praxis ist dabei noch kein wirklich gutes Rad herausgekommen, zu viele Kompromisse. Am Ende ist es doch komfortabler, ein Lastenrad mit entsprechend großer Kiste zu fahren und den Kinderwagen einfach auch mitzunehmen - klappt ja sogar beim Urban Arrow, das wir regelmäßig mit meinen beiden Söhnen und dem Quinny Zapp xTra "beladen".

Darüber hinaus hatte Andreas noch einige chinesische Fabrikate im Laden und eine Interessante Erkenntnis: auch hier kann man mittlerweile durchaus etwas mehr Qualität erwarten. Hoch angepriesen wurde beispielsweise ein Lastendreirad, das in mattem schwarz und mit Motor für schmales Geld daherkam und dafür einige Details aufwies, für die man sonst eher draufzahlt, zum Beispiel hydraulische Scheibenbremsen. Leider - das Pech schien mich zu verfolgen - war das Rad noch nicht vollständig montiert - Probefahrt fiel aus.

Also steuerte ich das Veleon zu meiner letzten Station: Pedalpower in Lichtenberg. Deren Long Harry kenne ich ja schon von meinen Nachbarn, die aktuelle Version ist noch ein wenig schicker und gefälliger geworden und wahlweise aus Aluminium oder Stahl erhältlich. Mit dem Mountainbike-Lenker hatte ich auf den ersten Metern so meine Probleme, aber das ist Geschmackssache.

Das Kintertransportrad KTR ist im wesentlichen ein Lastendreirad mit der aufgeschraubten Kabine eines Croozer Kinderanhängers. Hier hatte ich gehofft, es gäbe vielleicht eine Möglichkeit, den Anhänger mit ein paar Handgriffen auf das Rad zu setzen und wieder abzunehmen, aber leider ist die Vereinigung von Lastenrad und Anhänger permanent.

Das "normale" Lastenrad zeichnet sich durch große Vorderräder aus. Das macht es leichtgängiger, aber da am Vorführmodell die Lenkungsdämpfer nicht montiert waren, möchte ich nicht allzuviel dazu sagen - ohne ließ es sich kaum fahren, so sensibel war die Steuerung. Und ganz ehrlich: ich glaube nicht, dass man da durch eine Gasdruckfeder allzuviel ausgleichen kann.

Als ich Pedalpower wieder verließ, um das Veleon abzuliefern, fiel mir die linke Pedale samt Kurbel ab - eine Schraube hatte sich gelockert. Glück im Unglück, dass mir das direkt vor einem Fahrradladen passiert ist. Die Mechaniker von Pedalpower wollten das Veleon auch fast gar nicht mehr hergeben, erst, als ich sagte, dass ich das Rad nun langsam zurückbringen müsse, ließen sie davon ab, die Neigetechnik und die Lenkung voller Neugierde zu begutachten.

Trotz des Carryo-Reinfalls bin ich zufrieden mit meinem Ausflug. Ich hatte einen schönen Tag an der frischen Luft, durfte ein spektakuläres Dreirad durch Berlin fahren und habe neue Bekannstschaften gemacht. Und natürlich die Barbie Dreamhouse Experience gesehen, gegen die "Die Linke" demnächst demonstrieren möchte ;)

Mittwoch, 20. März 2013

Zeitung

Heute sind wir in der Zeitung - das freut mich sehr, zumal es ein ganz gelungener Artikel es, wenngleich die Bildunterschrift suggeriert, ich besäße mehrere Lastenräder. Das ist leider nicht der Fall, zumindest nicht gleichzeitig.

Was nicht heißen soll, dass ich nicht gerne eine ganze Reihe Räder vor dem Haus stehen hätte - eins für jede Gelegenheit quasi, ganz aktuell läuft immer noch meine Suche nach einem Lastendreirad, das dann auch die schlüpfrigen Wintermonate ein wenig gefahrloser übersteht.

Nicht nur deswegen fahre ich am kommenden Montag nach Berlin und werde meinen absoluten Favoriten, das Carryo, Probe fahren dürfen. Und weil ich einen ganzen Tag Zeit habe, stehen auch noch das UmaZooma, das Veleon, Pedalpower und die Fietsfabriek auf meiner Liste.

Ein weiteres Modell von größtem Interesse wäre das Bellabike - ein Dreirad mit zwei starren Rädern vorn und gelenktem Hinterrad. Die sind hierzulande allerdings dermaßen selten, dass ich mich schon nach Kopenhagen aufmachen müsste, um eins zu testen. Dafür bedarf es dann doch noch einiger Fundraising-Aktivitäten ;)

Ich freue mich immer gern über Fragen, zum Beispiel in den Kommentaren oder auch per Mail.

Freitag, 8. März 2013

Transport gefedert und elektrisiert: das Load Hybrid

Neben dem Besuch bei meinem Haus- und Hof-Lieferanten habe ich mich auf der FietsVak auf ein Rad ganz besonders gefreut: ein Lastenzweirad mit Bosch-Mittelmotor und Vollfederung - das Load Hybrid von Riese + Müller.

Vor ein paar Monaten hatte mich ein Leser auf das Modell aufmerksam gemacht, und angesichts der ersten Pressebilder - wenn auch mühelos als Photoshoparbeiten zu entlarven - war ich direkt Feuer und Flamme. Die schnittige Form und die frische Farbe gefiel, dazu die Ankündigung, ein Modell auch mit NuVinci Nabe anzubieten, der schönsten Art zu schalten, seit es keine Gänge mehr gibt.

Der erste Prototyp
Da Riese + Müller Erfahrung mit Klapprädern haben, wartet auch das Load Hybrid mit ein paar Features aus diesem Segment auf. Der Rahmen ist für den Transport teilbar - der Aufwand lohnt sich aber wohl nur für weitere Wege, zum Beispiel eine Reise. Das Rad mal eben zusammenklappen und mit in den Zug nehmen bleibt auch hier eine Utopie. Der in Höhe und Neigung verstellbare Lenker erinnert stark an das Birdy.

Den Vortrieb unterstützt der Tretlagermotor von Bosch. Die wenigen Runden, die ich auf dem Teppich der FietsVak drehen konnte, reichen sicher nicht aus, um weitreichendere Aussagen über den Antrieb zu machen - aber der Antritt ist sehr forsch und direkt, die Unterstützung schon in mittlerer Einstellung sehr kraftvoll. Ich wagte nicht, das System auf "Sport" zu stellen, dafür erschien mir einfach zu wenig Platz in den Messehallen.

Die Transportkiste ist Güter ausgelegt. Mit einem niedrigen Rand rundherum können auch recht kleine, lose Gegenstände ohne Sicherung transportiert werden, will man höher stapeln, benötigt man einen Spanngurt.

Verglichen mit anderen Transporträdern ist die Ladefläche allerdings etwas kürzer geraten, so kurz gar, dass die Konkurrenz schon einen Spitznamen parat hatte: vom "Minimum Load" war mit einem Augenzwinkern die Rede.

Noch nicht ganz klar ist, wie es mit Kindertransport aussehen wird. Am Stand erfuhr ich, dass vierschiedene Accessoires wie zum Beispiel ein Regendach bereits in Arbeit seien, zu sehen gab es aber noch nichts.



Und dann durfte ich das Rad ein paar Runden durch die Messehalle steuern. Ich fuhr den original Prototypen - daher, entschuldigte man sich, sei das Rad schon etwas heruntergefahren, abgenutzt von zahlreichen Promoterminen und Testfahren. Insbesondere an den quietschenden Bremsen im Video bemerkt man das, die außer der Geräuschentwicklung allerdings keinerlei Mängel aufwiesen.

Ein vollgefedertes Rad auf Teppich. Lässt es sich überhaupt angenehmer fahren? Das Load Hybrid machte auf mich einen derart guten Eindruck, dass ich, böte es Platz für mehr Kinder, sofort eins bestellt hätte. Fahrvergnügen pur, sehr bequem, antrittsschnell und wendig.

Und, so verriet man mir auf Nachfrage, die Probleme mit Vibrationen im Vorderrad, die bei hohen Geschwindigkeiten bei diesem Typ Rad gerne mal auftreten (nicht nur beim Urban Arrow, sondern zum Beispiel auch beim Bullit, das extra zu diesem Zweck eine Gasdruckfeder als Lenkungsdämpfer als optionales Zubehör hat). Wie man das geschafft habe, darüber schwieg man sich aus, aber ich hege den Verdacht, dass es auch mit der Federung der Vorderradgabel zu tun haben könnte.


Über 80 Räder sind bereits von Händlern vorbestellt, und bei Riese + Müller geht man davon aus, dass die Modelle nicht zum Ladenhüter werden. Das Zeug dazu haben sie. Ich bin gespannt, ob und was noch zum Thema Kindertransport passiert, würde aber wohl einen Gönner brauchen, um mir das Rad leisten zu können - mit rund 4.500,- Euro beginnt es deutlich weiter oben auf der Euroskala als vergleichbare Modelle. Dafür bietet es freilich die Vollfederung und den Markenantrieb.