Mittwoch, 27. März 2019

Verwandelräder

Vor langer Zeit besuchten wir eine Freundin meiner Frau in Basel, die damals direkt über einem Laden namens "Obst & Gemüse" wohnte. Das Geschäft heißt noch heute so und ist - wie könnte es anders sein - ein Fachgeschäft für Fahrräder, darunter auch Lastenräder. Und in der Einfahrt zum Hof stand ein Triobike V2.

TrioBike V2, Screenshot von YouTube


Das V2 ist nicht mehr in Produktion, aber man kann die Ähnlichkeit zum aktuellen Modell "Mono" sofort erkennen - wobei "Mono" hier wohl darauf anspielt, dass es nur noch eine Möglichkeit gibt, das Rad zu nutzen, während der Firmenname "Triobike" verrät, was das V2 ausmachte: unterhalb der Kinderkiste befand sich ein Laufrad. Zog man dieses hervor und setzte es in die Vordergabel des von der Box trennbaren Fahrrades ein, hatte man ein Fahrrad und einen Schiebewagen. Fügte man beides wieder zusammen, hatte man ein Lastenrad. Drei Anwendungen - Triobike.

Ich bin nie dazu gekommen, den Umbau selbst zu versuchen, aber aus Gesprächen weiß ich, dass der Umbau für den Alltag wohl zu umständlich war.

Ganz ähnlich funktioniert es bei der Libelle vom Nutzrad-Studio in Leipzig. Die Libelle ist ein leichtes Long-John, das sich ebenfalls hinter der Lenksäule teilen lässt. Allerdings kann man dann nicht mit dem Hinterteil auch noch fahren, wie beim Triobike, aber man erhält eine Kinderkiste, die man schieben kann.

Der Mann, den ich mit der Libelle im Südpark traf - als das Foto im Tweet entstand - war allerdings alles andere als zufrieden. Auch ihm und seiner Frau schien der Aufwand zur Teilung des Rades die alltägliche Nutzung zu verleiden, er sagte mir, in der ersten Woche hätten sie die Funktion noch genutzt, danach nicht mehr.

Oder das Hercules Lastenrad, das ich auf der Eurobike ausprobieren durfte. Hier müssen Schnellspanner gelöst und zwei Räder runtergeklappt werden; anschließend kann man den Vorderteil einzeln herum schieben. Hier darf ich aus erster Hand berichten, dass die Teilung schwierig ist, damals auf der Messe wollte der Hercules Mitarbeiter zunächst nicht mal vorführen, weil es so nervig sei.

Das Hercules Lastenrad auf der Eurobike

Das Zigo Leader ähnelt in seiner Funktion sehr dem Triobike V2, scheint aber nicht mehr erhältlich zu sein. Auch hier werden Kiste und Hinterbau des Fahrrades auseinander genommen.

Das Taga Bike lässt sich mit ein paar Handgriffen vom Fahrrad zum Kinderwagen klappen, allerdings muss hier während des Umbaus der Kindersitz abgenommen werden und anschließend wieder aufgesetzt. Das Fahrrad war hier in Münster sogar mal in einem Babymarkt erhältlich und irgendwann hab' ich mal eines auf der Gasselstiege fahren sehen.

Auf der Cyclingworld in Düsseldorf konnte ich nun aber ein Fahrrad live erleben, dass mir schon im Internet aufgefallen war, als es noch ein Crowdfunding-Prjojekt war: das Salamander von WIKE (übrigens: Walk and Bike - Wike ...)

Das Salamander verfügt über einen genialen Mechanismus, bei dem man sich eigentlich nur fragen kann, warum da niemand früher drauf gekommen ist. Ein Fußtritt auf ein Pedal und der Hinterbau des Rades kann seitlich neben die Kinderkiste klappen, auf der anderen Seite steckt man ein Laufrad aus einer Aufbewahrungs-Aufhängung nach unten, fertig ist ein dreirädriger Wagen.

Aber seht einfach selbst:


Das Salamander könnte das erste Fahrrad sein, dass sich vom Fahrrad in einen Schiebewagen verwandeln lässt und dabei die Alltagstauglichkeit behält. Pedale in Position drehen, Bremse ziehen, Fußpedal drücken, umklappen, Rad umstecken. Wenn man es ein paar mal gemacht hat, geht das in weniger als fünf Sekunden.

Ich war von der Crowdfunding Idee beeindruckt und bin vom "echten" Salamander begeistert. Und die Views des kleinen Videos auf Instagram scheinen zu sagen, dass ich damit nicht alleine bin.

Was mich ein bisschen irritiert, ist, dass Wike neben dem selbst entwickelten und in Kanada gebauten Salamander auch OEM Ware im Programm haben - das passt irgendwie nicht zusammen. Aber mit dem Salamander (übrigens auch für Cargo statt für Kinder erhältlich, dann heißt es "Frog") wünsche ich den Kanadiern viel Erfolg.


Und dann erwähnen wir doch kurz noch das Convercycle. Ebenfalls ein (sehr erfolgreiches) Crowdfunding Projekt, mit denen ich auf Twitter ein wenig "Beef" hatte, nachdem sie dort anfangs mit übertrieben breiter Brust aufgetreten waren.

Aber im persönlichen Gespräch ließ sich das schnell aus der Welt schaffen und unter dem Strich bleibt eine sehr interessante und clevere Idee. Das "Flip" getaufte Modell wird durch einfaches umklappen des Hinterrades vom normalen Fahrrad zum Long Tail.

Die Ladefläche, die dabei entsteht, hat allerdings einen Spalt in der Mitte, dadurch wird man bei der Beladung auf Kisten oder etwas breitere, stabilere Gegenstände beschränkt - aber vielleicht lassen die Jungs von Convercycle sich da ja noch was einfallen. Am derzeit verfügbaren Prototypen haben sie mir jedenfalls schon mal erklärt, was sie alles schon geplant haben.

Und jetzt beende ich den Blogartikel so, wie es heutzutage üblich ist: mit "Fishing for Content Engagement". Ich stelle eine Frage zum Artikel, die euch dazu bringen soll, Kommentare zu schreiben, Klicks zu generieren und Geld in die Kassen zu spülen. Aber, oh, wartet... Die Kommentar-Funktion ist seit Inkrafttreten der GSDVO deaktiviert, ich schalte keine Werbung und mache alles als Hobby, unentgeltlich ...?!

Trotzdem: Was meint ihr? Verwandelräder: Nischenprodukt oder Innovation?