Samstag, 15. August 2020

Das traurige Kammerspiel: Der Fahrraddieb (Update)

Es ist Sonntag, der 05. Juli 2020. Meine Familie ist campen gefahren, um mir alleine zuhause Ruhe zu verschaffen, da ich mich von einem kleinen Eingriff im Krankenhaus erhole. Ich liege daher im Schlafzimmer mit Fenster zum Garten und nicht bei meinem Dreijährigen, dessen Fenster zur Haustür und den Fahrrädern geht. Sonst wäre vielleicht alles anders gekommen. So ist es jedoch 06:15 Uhr, und ich schlafe. Auftritt Fahrraddieb von links.

Ist er nicht putzig?
Creepy as fuck macht der junge Mann als allererstes Fotos von unseren Rädern. Er belässt es dabei nicht bei einem Gruppenbild, sondern läuft danach erstmal zwischen den Rädern herum und fotografiert Details wie den Lenker des Triobike oder den Motor am Bakfiets. Ein kurzer Blick auf unsere Fassade hat ihn zuvor wohl animiert, seine Kapuze aufzusetzen und einen Schal vor das Gesicht zu wickeln. So viel zur Abschreckung durch Überwachungskameras.

Mal gucken, was wohl im Bicicapace ist?
Nachdem er sich einen Überblick verschafft hat, es sind nun etwa zweieinhalb Minuten vergangen, wählt er zunächst das scheinbar einfachste Ziel. Er öffnet die Tasche vorn am Bicicapace meiner Frau, findet darin aber nur leere Plastiktüten, eine (leider unbenutzte) Windel, einen kleinen Schirm und eine kaputte Regenhose. Die letzten beiden Gegenstände steckt er schon mal in eine Stofftasche, die er sich ebenfalls aus dem Rad nimmt. Dann schaut er in unseren Briefkasten - wohl um zu gucken, ob dort viel Post ist, was auf Hausbewohner im Urlaub deuten könnte.

Seitdem haben wir Spiegelfolie auf dem Fenster in der Tür ...
Der Briefkasten war leer, offenbar nicht zufriedenstellend, also schaut er mal ziemlich lange in unseren Flur. Da bewegt sich aber nichts, denn schließlich liege ich ja oben im Bett und schlafe. Gerne hätte ich jedoch mit der Mistgabel hinter der Tür gestanden...

Weiter geht es in der Nische zwischen Schuppen und unserem Küchenfenster, wo das Bellabike steht. Die Kamera hat das nicht im Blick, aber es kommt nichts weg. Er greift sich nur eine der Tragetaschen aus dem Bellabike in der Hoffnung auf noch mehr satte Beute.

Der optionale Schutz für den Akku am Bakfiets ist offenbar empfehlenswert
Als nächstes ist das Bakfiets an der Reihe. Nachdem er kurz daran gescheitert ist, den Sattel abzumontiern, versucht er, an den Akku zu kommen. Meine Frau hat sich entschieden, den optional erhältlichen Metallkasten dazu zu kaufen, was sich jetzt zu bewähren scheint: er reißt zwar mit roher Gewalt den Deckel ab, scheitert aber kläglich bei dem Versuch, den Akku heraus zu bekommen. Einige Minuten (er ist jetzt schon seit fast 10 Minuten vor unserer Tür) zerrt und schraubt er daran herum.

Offenbar nicht interessant: mein Vorderrad
Als nächstes kommt mein Triobike an die Reihe. Er nimmt meine Ortlieb Outer Pocket ab, die zwar bis auf ein paar "Parke nicht auf unseren Wegen" Sticker leer, aber dennoch am Fahrrad ist, weil ich nie damit gerechnet hätte, dass jemand sich (zum jetzigen Zeitpunkt) über 16 Minuten Zeit nimmt, um direkt vor unserer Haustür bei Tageslicht Teile von unseren Rädern zu klauen. Danach sieht er sich mein Vorderrad an. Obwohl es einen Schnellspanner mit Steckachse hat und mit einem Handgriff zu klauen wäre, scheint es ihm nicht interessant.

Selbstüberschätzung?
Stattdessen versucht er jetzt, das Faltschloss an meinem Hinterrad zu knacken. Als Beute winkt eine Rohloff Speedhub, sicherlich verlockend, aber was in aller Welt hat er sich gedacht bei dem Versuch, ein doch recht solides Schloss ohne Werkzeug zu knacken? Schließlich tritt er die Plastikverschalung des Schlosses mit dem Fuß ab, ein Wunder, dass keine Speichen gebrochen sind. Und: selbst wenn es ihm gelungen wäre: als nächstes hätte die Sicherheitsschraube an der Achse und ein weiteres Kabelschloss - ihr seht es auf dem Boden liegend zum Trio führen - auf ihn gewartet. What the actual ...?

Bye Bye, Brooks
Dann folgt leider seine einzige, nennenswerte Beute dieses Morgens: er hat entdeckt, dass sich unter der Plastiktüte am Bicicapace auch ein Brooks Sattel befindet. Und im Gegensatz zum Bakfiets bekommt er diesen sogar ab und steckt ihn schnell in seine Tasche. Er ist nun seit über 20 Minuten vor unserer Tür und er beginnt offenbar abzuwägen, ob er genug erbeutet hat, oder ob er weiter sein Glück versuchen soll.

Tür aus den Angeln? Mit bloßen Händen wohl nicht ...
Dabei erblickt er die Angel unserer Schuppentür. Die ist eingerostet und steht schon seit immer etwas heraus. Sie sitzt aber fest, was er selbst auch feststellen muss. In der Zwischenzeit hat er aber noch etwas besonders wertvolles eingesteckt, ihr könnt das Sattel- und das Schuppen-Bild mal als Suchbild vergleichen, die Auflösung kommt am Ende. Doch dann hört er etwas ...

Schnell unauffällig wirken!
Ein Fahrrad nähert sich. Schnell nimmt er Kapuze und Schal ab, stellt sich lässig hin und fährt sich im Moment, als eine unbekannte Person vorbei radelt, betont lässig durch die Haare. Ich mache niemandem einen Vorwurf: so gut kenne ich meine Straße nicht, als dass ich vor jeder Tür im Vorbeifahren erkennen würde, ob dort ein Bewohner oder ein Dieb steht. Ihm wird es jetzt, nach 26 Minuten, aber offenbar doch zu heiß. Er packt zusammen und fährt ab.

Vielleicht ist eine Rohloff für den Alltag doch zu teuer?
Das ist aber noch nicht das Ende, wir erinnern uns: er hat Fotos gemacht. Beim Erstatten der Anzeige hatte mir der Beamte am Telefon gesagt, er gehe nicht davon aus, dass der Dieb zurück komme. Es scheint auch nicht derselbe gewesen zu sein, aber exakt acht Tage später, an einem Montag morgen um kurz nach vier, wirft dieser Herr einen Blick auf mein Hinterrad. Allerdings ist er nicht so dumm, sich ohne Werkzeug an einem Faltschloss zu versuchen. Und den zwischenzeitlich am Trio befestigten Motorrad-Alarm hätte er damit auch ausgelöst.

Fehlt noch die Auflösung: kurz vor Schluss hat der Dieb vom Sonntag noch drei dreckige, teils verschimmelte Handtücher in seine Tasche gesteckt, die an der Ecke am Schuppen hängen, seit Jahren draußen - wir wischen damit höchstens mal Sättel trocken, aber eigentlich auch nicht, weil eben Schimmel ... Diese Beute hat er sich echt verdient!


Mittlerweile hängen beide Lastenräder über dicke bzw. dickste Kettenschlösser an Bodenankern, haben beide einen Alarm und vor der Tür gibt es zwei Lampen mit Bewegungsmelder. Der Akku bleibt über Nacht nicht mehr am Rad und auch sonst sicher keine mit einem Handgriff entfernbaren Teile.

Nach anfänglichem Schock kann ich mich über die ganze Geschichte mittlerweile sogar amüsieren, weil sich der Dieb so dilletantisch angestellt hat. Ich hoffe, euch hat die Geschichte auch gut unterhalten - und denkt daran: schließt eure Fahrräder gut ab, am besten an, und wenn ihr die Möglichkeit habt, macht das zusätzlich in einem verschlossenen Raum wie Schuppen oder Keller. Amen.

Update vom 20.08.2020:

Der Sattel ist wieder da. Er lag bei einem Nachbarn 200 Meter entfernt in der Rosenhecke. Der Nachbar ist ein Freund, daher wusste er von dem Diebstahl und konnte den Sattel zuordnen. WARUM KLAUT EINER DEN SATTEL UND WIRFT IHN DANN 200m WEITER INS GEBÜSCH?!?!?!?